Yves Bugmann: Der neue Präsident der FH vertraut sich uns an 

Seit dem 1. Januar 2024 ist Yves Bugmann der Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie FH! Wir treffen den Mann, der bereits seit 2006 die Rechtsabteilung des Verbandes geleitet hat.

Er trat die Nachfolge von Jean-Daniel Pasche an, der laut übereinstimmenden Quellen seinen wohlverdienten Ruhestand geniesst! Als seit fast zwei Jahrzehnten präsenter Insider und polyglotter deutscher Muttersprachler kennt Yves Bugmann die Funktionsweise des Verbandes genauso gut wie die Geheimnisse der eidgenössischen Machtstrukturen.

Die Schweizer Uhrenindustrie – eine weltweite Ausnahme

Schon innerhalb der Schweiz ist sie eine besondere Branche. Im Rest der Welt geniesst sie innerhalb eines organisierten Europa eine Sonderstellung mit einem Hauch von Exklusivität. «Ich bin stolz darauf, dem Prunkstück der Schweizer Wirtschaft zu dienen, einem Sektor, der 65’000 Menschen beschäftigt und die drittgrösste Exportbranche unseres Landes ist», erklärt Yves Bugmann.

Seit ihrer Gründung ist die FH der EPHJ Fachmesse treu geblieben. Wird der neue Präsident des Verbandes diese Tradition fortführen?

Als Fachmesse für die Zulieferindustrie des Uhrensektors nimmt die EPHJ gemeinsam mit den Zulieferern eine strategische Position im Ökosystem der Schweizer Uhrmacherei ein. Viele dieser Unternehmen sind Mitglieder der FH. Sie verfügen über ein einzigartiges Know-how und Fachwissen. Zusammen bilden sie ein starkes Industriegeflecht, um das uns viele andere Länder beneiden. Darüber hinaus bieten sie viele hochqualifizierte Arbeitsplätze. Mir persönlich ist es eine grosse Freude, an der EPHJ teilzunehmen. Auch mehrere meiner Kollegen von der FH kommen zur Messe, insbesondere jene, die technische Aufgaben haben, z. B. bei der Normung in der Uhrmacherei.

Kann ein Mitunternehmer, der kein Uhrwerkbauer ist, Mitglied bei der FH werden, oder ist diese Möglichkeit den Marken vorbehalten?

Gemäss unseren Statuten können Unternehmen, die zur Schweizer Uhrenindustrie gehören, Mitglieder werden. Eine beliebige Verbindung zur Branche reicht also aus, um Mitglied unseres Verbands zu werden, sofern das betreffende Unternehmen in der Schweiz ansässig ist und Schweizer Produkte herstellt.

Ihr Vorgänger war überall mit dabei. Seinen Platz einzunehmen ist sicher anstrengend!

Natürlich ist es nicht einfach, in die Fussstapfen von Jean-Daniel Pasche zu treten! Er hat die FH mehr als 30 Jahre mit viel Fingerspitzengefühl und gesundem Menschenverstand geleitet. Aber die Welt entwickelt sich weiter, wie auch die Schweizer Uhrenindustrie und ihre Bedürfnisse. In diesem Sinn habe ich meine erste Amtszeit als Präsident mit dem Ziel angetreten, mich weiterhin für die Hauptthemen der FH einzusetzen: die Verteidigung des Freihandels, die Verbesserung der Rahmenbedingungen unserer Industrie auf nationaler und internationaler Ebene, die Bekämpfung von Fälschungen, die Aufwertung des Swiss made, die Normung in der Uhrmacherei und die öffentlichen Angelegenheiten.

Ist Ihre deutsche Muttersprache ein Vorteil?

Ich habe die Absicht, die Branche auf der anderen Seite der Saane bekannter zu machen, wo die Leute vor allem die grossen Marken unseres Sektors kennen, aber nicht die unglaubliche Geschichte und das jahrhundertealte Erbe, die sich dahinter verbergen. Reden in mehreren Sprachen zu halten, auf Französisch, Deutsch, Englisch oder Italienisch, ist ein wahres Vergnügen. In dieser Hinsicht bin ich gut bedient, da kann ich mich nicht beschweren.

Wenn Sie eine erste Bilanz ziehen müssten?

Die Bundesräte haben 100 Tage Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen, die Präsidenten der FH deutlich weniger! Dieses Jahr haben wir unseren Austausch mit den institutionellen Akteuren und den Stakeholdern unserer Branche verstärkt. Ausserdem sind wir dabei, die Aktivitäten zur Bekämpfung von Fälschungen unter dem Dach unseres Verbandes zu zentralisieren, um den Bedürfnissen unserer Mitglieder besser gerecht zu werden. Und wir modernisieren die Art und Weise, wie wir mit den Mitgliedern der FH, den Behörden, unseren Partnern und der Öffentlichkeit kommunizieren.

Wie kommen Sie mit den ständigen Repräsentationspflichten Ihres neuen Amtes zurecht?

Das ist für mich mehr eine Ehre als eine Pflicht. Diese Tätigkeit gehört untrennbar zum Amt des Präsidenten. Meine langjährige Erfahrung bei der FH hilft mir dabei, denn es wird vom Präsidenten zu Recht erwartet, dass er sich zu allen Themen der Uhrmacherei äussern kann. Genauso wichtig ist es, auf die Menschen zuzugehen und ihnen zuzuhören: Ich treffe oft faszinierende Persönlichkeiten, die sich für die Uhrmacherei begeistern, was natürlich zu spannenden Diskussionen führt.

Verfügt die FH beim Bund über Einfluss, was das Thema Swiss made angeht?

«Das Label Swiss made in seiner verschärften Fassung von 2017: eine der weltweit strengsten Gesetzgebungen für geografische Angaben»

Keine andere Branche ist so eng mit der Schweiz verbunden wie unsere. Die Schweiz ist ein Synonym für Uhren und Uhren sind ein Synonym für die Schweiz. Das Label «Swiss made» verleiht Schweizer Produkten einen erheblichen Mehrwert, insbesondere in der Uhrenindustrie. Ein Verbraucher in Südkorea ist bereit, für eine Uhr mit dem Siegel Swiss made den doppelten Preis zu bezahlen, was die unglaubliche Attraktivität dieses Labels bezeugt. Die FH verfügt über privilegierte Kontakte zum Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, wenn es darum geht, Schweizer geografische Angaben wie Swiss made, aber auch andere Begriffe wie  «Genève», in der Schweiz und vor allem im Ausland zu verteidigen. Über unsere regelmässigen Beziehungen zum SECO [Anm. d. Red.: Staatssekretariat für Wirtschaft] können wir auch die diplomatischen Kanäle aktivieren, um unsere Labels im Ausland zu verteidigen. Die Verteidigung des Swiss made für Uhren steht auf unserer Prioritätenliste ganz oben.

Muss eine Marke oder ein Unternehmen, das sich auf Swiss made beruft, Mitglied der FH sein?

Nein, es gibt keine Verpflichtung, Mitglied der FH zu sein, und das ist gut so.

Sie verfügen aber über Argumente, um diese Unternehmen zu überzeugen?

Zahlreiche Unternehmen wenden sich an uns, weil sie von den Leitfäden gehört haben, die wir erstellen, um unseren Mitgliedern bei der Anwendung oder Auslegung neuer Gesetze in der Schweiz, der Europäischen Union oder den Vereinigten Staaten zu helfen. Diese Dokumente ermöglichen es uns, den zuweilen komplexen Inhalt der Regelungen verständlich zu machen und ihn anhand von Schaubildern oder Beispielen zu erklären.

 

Swiss made – über das Kaliber hinaus?

1971 bezog sich die Bundesverordnung über Swiss made lediglich auf das Uhrwerk. Trotz der verschiedenen Revisionen der Schweizer Gesetzgebung und des historischen Kampfes der FH, zuweilen gegen die Interessen der EU eine spezifische Regulierung für die Uhrenindustrie durchzusetzen, wie etwa die berühmten 60 %, stellt sich die Frage: Welche Teile der Uhr sind nicht vom Swiss Made betroffen?

Yves Bugmann: «Die Swiss-made-Verordnung für Uhren bezieht sich auf den Uhrenkopf und nicht auf das Armband. Falls letzteres jedoch mit dem Swiss-made-Label versehen und abnehmbar ist, hat es die Kriterien des Markenschutzgesetzes zu erfüllen, das besagt, dass mindestens 60 % der Herstellungskosten des Armbandes in der Schweiz anfallen und ein wesentlicher Fertigungsschritt in der Schweiz stattfinden muss. Alle anderen Bestandteile des Uhrenkopfes unterliegen den Anforderungen der Verordnung, sei es durch das Kriterium, dass die technische Entwicklung in der Schweiz erfolgen muss oder dadurch, das 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz generiert werden müssen. Darüber hinaus müssen Uhrwerk und Gehäuse, um als schweizerisch zu gelten, strenge und präzise Vorgaben der Verordnung erfüllen. Diese wurde 2017 verschärft und gehört nun zu den strengsten Gesetzen weltweit im Bereich der geografischen Angaben.»

Und sonst?

Es gibt viele Themen, bei denen eine Zusammenarbeit sinnvoll ist, zum Beispiel, wenn es darum geht, die Interessen der Branche im Rahmen eines neuen Freihandelsabkommens mit Indien zu verteidigen. Wir müssen unsere Mitglieder und potenzielle Mitglieder von der Relevanz und dem Mehrwert unserer Leistungen überzeugen.

Ganz sicher haben wir es mit einem der weltweit strengsten Gesetze zu tun! Aber verfügen Sie überhaupt über die Mittel, es durchzusetzen?

Grundsätzlich sollte der Schweizer Hersteller einer Uhr, der den Begriff «Swiss» auf seinem Produkt verwendet, die diesbezüglichen Regeln kennen und sie befolgen. Tut er dies nicht, kann er von einem Dritten verklagt werden. Die Verteidigung des Swiss made im Uhrensektor gehört zu den Kernaufgaben der FH, die auf diesem Gebiet über eine langjährige Erfahrung verfügt. Sie berät die Unternehmen der Branche und greift, wenn nötig, gerichtlich ein, sei es in der Schweiz oder anderswo. Um das Label besser zu schützen, hat die FH die Bezeichnungen «Swiss» und «Swiss made» in den Vereinigten Staaten, in der Europäischen Union und in Hongkong als Marken eintragen lassen. Diese Marken ermöglichen es, die strengen Kriterien der Schweizer Verordnung auch in anderen Rechtssystemen anzuwenden. Darüber hinaus kann die FH eingreifen und sich gegen die Registrierung wehren, wenn ein Dritter eine Uhrenmarke eintragen lassen will, die unberechtigterweise die Angabe «Swiss» enthält.

Gut, aber wie steht es mit Sanktionen oder Geldstrafen?

Laut dem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG) ist die missbräuchliche Verwendung strafbar. Zuwiderhandelnden drohen je nach Schwere des Verstosses Geldbussen oder gar Freiheitsstrafen. Das MSchG sieht auch zivilrechtliche Schritte vor, um Verstösse gegen die «Swiss made»-Kriterien zu ahnden. Die zivilrechtlichen Schritte ermöglichen es geschädigten Unternehmen, Schadensersatzforderungen geltend zu machen.

https://www.fhs.swiss

Joël A. Grandjean / JSH News 1876

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